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Challenge Roth 2016
Ein Erfahrungsbericht von Sidney

Es ist kein Traum mehr, aber irgendwie, an nächsten Tag denkt man, es war doch nur ein Traum!!

Es waren intensive Trainingsinhalte während 10 Monaten. Das Training begann mitunter morgens um 5Uhr und endete erst um abends um 23 Uhr. Es gab viele Tage, wo ich mir gewünscht habe einfach faul auf dem Couch zu liegen, Musik hören, zu lesen, alles essen zu können, was ich möchte, mit Freunden auszugehen, etc. Auf alle diese und viele anderen Sachen habe ich für eine lange Zeit verzichten müssen. Auch meine zweite Sportliebe, das Tanztraining, hat in den letzten Wochen oft ausfallen müssen. Aber ich habe keine Sekunde bereut! Das harte Training wird sich später auszahlen!

Roth 2016 | Bild: Sidney, Quelle: Reinoud

Freunde, Motivation, Ambition, Spaß, ein fröhliches Lächeln, Kraft, aber auch Tränen in Augen, Schmerz oder negative Gedanken kamen oft beim Training. Auch die Stimme des Teufels mit „du schafft es nicht“ habe ich gehört, aber zum Glück sagte die gute Stimme „doch, du schafft es, einfach weiter machen“. Schließlich ist es meine dritte Teilnahme an einem Triathlon über die lange Distanz – die Challenge Roth (3,8 Schwimmen, 180km Radfahren und 42km Laufen)!

Als Vorbereitung absolvierte ich endlose Trainingseinheiten: Ich bin ca. 155 km geschwommen, 1.800 km Rad gefahren und 1.500 km gelaufen. Das meisten Training absolvierte ich alleine.

Endlich hieß es ab nach Roth!!

17.07.2017
04:30 Uhr, 2 ½ Stunden vor einem der größten Momenten meines Lebens – zum dritten Mal! Ich blicke zurück und denke an all das, was ich in der Vorbereitung getan oder nicht getan habe, um hier in Roth Erfolg  haben zu können. Nun sitze ich mit meinem mutigen und verrückten „Supporter“ Reinoud in Roth beim Frühstück. Reinoud kam vor ca. 10 Stunden aus München in Roth an, um mich auf der Strecke mit speziellen Getränken und Essen zu versorgen. Bei ihm muss ich mich unheimlich für die enorme Unterstützung bedanken!

Um 06:00 Uhr sind wir am „Tatort“, der Marathon-Strecke, eingetroffen und ich bereite alles vor. Ich sehe in die unzähligen Gesichter des Publikums, das sogar vor mir hier war, um einen guten Platz auf einer Brücke zu bekommen. Von hier aus können sie gut sehen, wie wir Athleten im Wasser gegeneinander rangeln, um vorwärts zu kommen, wie wir uns in die nächste Stunden quälen werden. Das Publikum wird unsere weinenden Gesicht sehen, unser Schmerz und unser Leid mitspüren, uns einen respektvollen Blick auf der Rad- und Laufstrecke zuwerfen und uns sogar zur Hilfe eilen, bevor wir umfallen. Sie helfen uns wieder hoch, wenn wir am Boden liegen und sagen uns mit einem Lächeln im Gesicht den in diesem Moment schönesten Satz „du schafft es, es sind die letzten Kilometer, go go go, nur ein paar Meter noch…“ Gänsehaut pur, mit Tränen in Auge sah ich die andere 3.500 verrückte Teilnehmer! Zum Glück bin ich nicht der einzige, dem es so geht!

Es geht los mit anziehen. Es ist immer ein Ritual, mit Fokus und Konzentration, nichts kann so vergessen werden. Alle Schritte werden in Gedanken durchgespielt …wie komme ich aus dem Wasser, wohin laufe ich dann, wo finde ich mein Rad… BOOOOOOM höre ich plötzlich, und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. 06:30 Uhr – es war mein Startschuss! Es geht los. Ab hier und jetzt geht es nur um mich. Ich bin NUR mit mir beschäftigt. Fokus, Konzentration, Entschlossenheit. „Denk nur an Dich und daran, was du JETZT zu tust hast“.

3,8 km Schwimmen – 1 Stunde und 5 Minuten später komme ich aus dem Wasser. Obwohl links und rechts vom Wasser nur Zuschauer zu sehen sind, nehme ich nur das Wasser in meinem Gesicht wahr und höre nur das platsch…platsch…platsch des von den anderen Teilnehmern aufgewirbelten Wassers. Mein Ziel war, innerhalb einer Stunde das Schwimmen absolviert zu haben, aber die 5 Min Verspätung sind auch akzeptabel!

180 km Rad fahren – 5 Stunden und 24 Minuten. Etwa 75 km habe ich sehr gut geschafft, dann rausche ich um eine Kurve und plötzlich drängen sich dort die Leute, Eltern mit Kindern und feuern uns wieder an. Weiter geradeaus wird die Straße enger und enger, die Zuschauer tauchen auf wie aus dem Nichts, es werden mehr und mehr und sie werden lauter und lauter. Tränen liefen mir in die Augen, mein armes Herz wollte mir bis zum Hals hüpfen (mach den Mund bloß zu, dachte ich, sonst ist es weg). Um ein Haar wäre ich gestürzt. Die Straße ist vor lauter Leuten nicht mehr zu sehen. Erst kurz vor den Fahrern machen die Leute den Weg frei und hinter ihnen schließt sich die Menge wieder. Die 600 m vor dem Etappenziel geht es durch diese Menge von begeisterten lauten Menschen. Ich konnte es wieder nicht fassen, was ich sah, was ich erlebte. Einen solchen Korridor von Mensch kenne ich nur in Rio de Janeiro vom Karnevals-Umzug. Meine Emotion, ausgelöst durch den Menschenkorridor in Roth durfte ich zweimal erleben, denn der Parcours musste zweimal abgefahren werden. Armes Herz! Das ist der bekannte „Solarer Berg“, ein Abschnitt mit Steigung kurz vor dem Etappenziel, gesäumt von einer begeisterten Menge! Einfach Unfassbar!! Zweites Etappenziel erreicht, mit erstaunlich toller Fahrtzeit von 5 Stunden und 24 Minuten. Ich musste mich beeilen, den Helm loszuwerden, die Frisur zu kontrollieren (es passt!), das Gesicht mit Sonnencreme zu pflegen und die Schuhe zu wechseln…nein keine Tanzschuhe…noch nicht!

42 Km Laufen – in 4 Stunden und 26 Minuten. Jetzt wird der ganzen Körper beansprucht. Der Krampf in beiden Oberschenken, der mich seit Km 90 bei Radfahren begleitet hat, meldet sich immer lauter und lauter. Aufgeben gibt es nicht, es sei denn, man kippst um und sieht nichts mehr. Solang du die Augen offen hast, einfach nach vorne anschauen und sich darauf freuen, dass man im Ziel bald seinen „Supporter“ treffen wird. Bingo, nach 25 km ist er da mit frischen Getränken, Fotoapparat und großem Lächeln im Gesicht, das größer ist als meines.  Nach 28 km, da ist er wieder, dann nach 31 km wieder und dieses Mal musste ich wegen des Krampfes doch eine kleine Pause machen.

Etwa 800 m vor dem Ziel, wieder ein Menschenkorridor. Das Herz klopft wie verrückt, die Beine zittern, es läuft ein Film im Kopf. ALLES was in den letzten 10 Monaten der Vorbereitung bis jetzt geschehen ist, wird in Sekunden komprimiert…“ja, ich habe es geschafft“…DAS bahnt sich seinen Weg  als Ausdruck Freude ins Gesicht und in die Kehle als lauter Schrei. Die schöne brasilianische Flagge wird aus der Laufhose rausgezogen, die Beine sind nicht mehr zu spüren, nur Stolz, Tränen, Freude und viele andere Gefühle sind da, die man nicht im Wort beschrieben kann.

10 Stunden, 59 Minuten und 55 Sekunden! 40 min schneller als 2015! Obwohl mein persönlich gestecktes Ziel ehrgeiziger war, muss ich trotzdem sagen: was für eine Leistung! Ich bin einfach glücklich, es wieder geschafft zu haben.

Mein größtes Dankeschön möchte ich an Reinoud  aussprechen für seine tolle Unterstützung Vorort auf der Strecke. Er hat den Triathlon praktisch mit mir mitgemacht! Vielen Dank an Katja Oriwol, meiner Tanzpartnerin, die ein tolles Verständnis dafür hatte, dass wir einige Woche vor dem Wettkampf eine Tanztrainingspause einlegn mussten. Allen Freunden, deren Essens- und Partyeinladungen ich wegen Training und/oder Müdigkeit absagen und ablehnen musste sage ich vielen Dank für ihr Verständnis. 

Ich dachte der Traum wäre nun endlich vorbei und ausgeträumt. Aber mir ist klar geworden, er ist NIE vorbei. Er geht weiter!

Der Termin für 2017 steht schon fest!

Euer Sidney!!